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Das Sachbuch "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur" (2016) ist eine Biographie der Historikerin Andrea Wulf über den preußischen Naturforscher, Entdecker und Geografen Alexander von Humboldt (1769 - 1859).
Das Buch (Englischer Titel: "The Invention of Nature: Alexander von Humboldt's New World") begleitet Humboldt von seiner frühen Kindheit und seinen Reisen als junger Mann durch Europa bis hin zu seiner Expedition durch Lateinamerika und seiner Rückkehr nach Europa.

Wulf vertritt die These, dass Humboldt Wissen aus vielen verschiedenen Bereichen synthetisierte und zu einer Vision der Natur als einem zusammenhängendes System formte, das später Wissenschaftler, Aktivisten und die Öffentlichkeit beeinflusste.

Inhalt

Zusammenfassung

1. Aufbruch: Aufkommende Ideen

Wulf beschreibt Humboldts Kindheit mit seiner emotional distanzierten Mutter. Als Kind wurden seine Interessen an der Natur und am Reisen nicht ernst genommen. Seine Mutter, von der er finanziell abhängig war, drängte ihn, Beamter zu werden. Als junger Mann schloss Humboldt Freundschaft mit Goethe und anderen deutschen Intellektuellen. Der Tod seiner Mutter eröffnet ihm die nötige Freiheit und finanzielle Unabhängigkeit, um in die Neue Welt zu reisen.

2. Aufbruch: Sammeln von Ideen

Humboldt kommt mit seinem Begleiter Bonpland in Venezuela an und beginnt seine Reise durch Mittel- und Südamerika. Mit im Gepäck hat er eine Fülle von wissenschaftlichen Instrumenten. In seinen Tagebüchern hält er seine Reisen und die Messungen, die er mit wissenschaftlichen Instrumenten durchführt, fest. Humboldt besteigt den Chimborazo, einen Vulkan in den Anden, der damals für den höchsten Berg der Welt gehalten wurde. Die Reise endet mit seinem Besuch in den Vereinigten Staaten, wo er das Weiße Haus besuchte, um mit Thomas Jefferson über Wissenschaft und Politik zu diskutieren, bevor er nach Europa zurückkehrte.

3. Rückkehr: Ideen sortieren

Humboldt kehrt nach Europa zurück, wo er wie eine Berühmtheit begrüßt wird. Er lebt sieben Monate lang als Auswanderer in Paris, da er die Stadt und ihre wissenschaftliche Kultur anregender findet als die in Berlin. In Frankreich lernt er den jungen Simon Bolivar kennen, der von Humboldts Wissen und seiner Leidenschaft für sein Heimatland Venezuela beeindruckt ist, und sie diskutieren über die Politik Südamerikas. Humboldt kehrt nach Preußen zurück, um sich am königlichen Hof ein Gehalt zu verdienen, bevor er nach Paris zurückkehrt. Zu diesem Zeitpunkt beginnt er mit der Arbeit an mehreren Manuskripten, die auf seinen Reisen basieren. Die Bücher werden viel gelesen. Während Bolivar beginnt, Revolutionen in Südamerika zu planen und durchzuführen, veröffentlicht Humboldt eine Reihe von Büchern über die Politik Lateinamerikas, die den Kolonialismus kritisieren.

4. Neue Welten: Ideen verbreiten

Wulf erörtert Humboldts persönliche Korrespondenz und seinen Einfluss auf den jungen Charles Darwin, der Humboldt die Inspiration für sein Interesse an den Naturwissenschaften zuschreibt, die zu seiner Reise auf der Beagle führte. Humboldts Einfluss auf den amerikanischen Dichter und Philosophen Henry David Thoreau wird erforscht. Humboldts Hauptwerk "Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung" (1845 bis 1862; 5 Bände), in dem er über die Zusammenhänge der natürlichen Welt spricht, wird erörtert.

Rezeption

Die Biographie wurde ein Bestseller der New York Times. Einige Kritiker waren der Meinung, das Buch hätte Humboldt und seine Reisen ausführlicher behandeln können, anstatt sich auf die Menschen zu konzentrieren, die er beeinflusst hat. Andere fanden, das Buch zeige die Relevanz Humboldts für unsere Zeit. Im September 2016 wurde das Buch mit dem "Royal Society Insight Investment Science Book Prize" ausgezeichnet.

Globalisierung

Das aktuelle Orientierungspotential, das von Alexander von Humboldts Art zu forschen im Zeitalter eines beschleunigten Wandels der Ökonomie, der Ökosysteme und der Gesellschaften sowie einer durchgreifenden Globalisierung ausgeht, ist ebenso vielfältig wie bedeutsam.

Andrea Wulf akzentuiert einen weiteren programmatischen Ansatz Humboldts, indem sie ihn aus einem Brief an Goethe zitiert: „Die Natur muss gefühlt werden.“ (siehe auch das Gedicht: Natur und Kunst). Humboldt habe einerseits 42 wissenschaftliche Instrumente quer durch Lateinamerika geschleppt und alles nur Vorstellbare gemessen. Andererseits habe er jedoch betont, dass Gefühle im Umgang mit der Natur genauso wichtig seien.

Das von Humboldt weltweit vorangetriebene Netzwerk korrespondierender Wissenschaftler und die Schnelligkeit der Umsetzung eingeholter Informationen in Humboldts Schriften zeugten von der Effektivität dieses Forschungskonzepts.

„Humboldt selbst überspielt dabei die raschen Veränderungen seines (veröffentlichten) Wissenstands keineswegs, sondern unterstreicht vielmehr den Charakter seines Buches als eines ‚work in progress‘, das den jeweils aktuellsten Forschung- und Reflexionsstand wiederzugeben versucht. […] Die wiederholte Betonung, ja geradezu Inszenierung der Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit aller Forschungsergebnisse ist bei Humboldt zweifellos ein Zeichen intellektueller Redlichkeit. Darüber hinaus aber ist sie nicht zufälliger, sondern programmatischer Natur. Humboldt gibt seiner Leserschaft Einblicke in die Entstehung von Wissensbeständen, liefert gleichsam Momentaufnahmen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse […].“

Autorin

Andrea Wulf (* 1972) wurde als Kind deutscher Entwicklungshelfer in Neu-Delhi, Indien, geboren und verbrachte dort die ersten fünf Jahre ihres Lebens, bevor sie in Hamburg aufwuchs. Sie studierte zunächst an der Universität Lüneburg und dann Designgeschichte am Royal College of Art in London. Von ihr stammen Bücher über Gartenkunst, die Beobachtung der Venusdurchgänge im 18. Jahrhundert, Alexander von Humboldt und die Depoche der Romantik um 1800 in Jena.

 

Siehe auch den Essay: Erkenntnis und Irrtum des Physikers Ernst Mach.