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Deutschstunde (1968) ist ein Roman des Schriftstellers Siegfried Lenz. Er wurde in mehrere Sprachen übersetzt und gilt als eines der prägenden Werke der deutschen Nachkriegsliteratur, da er die Verquickung von Schuld und Pflicht in der Zeit des Nationalsozialismus zentral erörtert.

Inhalt

Zusammenfassung

Formal ist der Roman in zwei Zeitebenen gegliedert. Die erste ist die Rahmenhandlung in der Gegenwart des Erzählers Siggie Jepsen, der sich in einer Einrichtung für schwierige Jugendliche befindet, während die zweite von seinem Essay geprägt ist, der den Leser in die Zeit des Nationalsozialismus versetzt. Lenz wechselt an einigen Stellen auch die Erzählperspektive und präsentiert im Werk psychologische Studien zur Person Siggis, die er vorträgt und skeptisch kommentiert.

Siggi Jepsen wird gezwungen, einen Besinnungsaufsatz zu schreiben. In dem Essay beschreibt er seine Jugend in Nazi-Deutschland, wo sein Vater, ein Polizist, versucht, seine Pflicht zu erfüllen, auch als er den Befehl erhält, seinen ehemaligen Jugendfreund, den expressionistischen Maler Max Nansen (den Lenz an den expressionistischen Maler Emil Nolde anlehnt), seines Berufs zu berauben. Dieser Auftrag kam zustande, weil die Nazis den Expressionismus als "entartete Kunst" verboten und Künstler, die sich mit dieser Art von Kunst beschäftigten, ablehnten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Jepsen Senior für kurze Zeit interniert und dann wieder als Polizist im ländlichen Schleswig-Holstein eingesetzt. Gleichzeitig versucht Siggi, Gemälde zu retten, von denen er glaubt, dass sie vom Untergang bedroht sind. Doch sein Vater kommt ihm auf die Schliche und veranlasst, dass sein Sohn wegen Kunstdiebstahls verhaftet wird. Als er während seiner Zeit in einem Jugendgefängnis in der Nähe von Hamburg gezwungen war, diesen Essay zu schreiben, kommen einige Erinnerungen aus seiner Kindheit an die Oberfläche.

Figuren

Eine Liste der wichtigsten Figuren (Charaktere & Personen) des Romans "Deutschstunde":

Handlung

Siggi Jepsen (der Ich-Erzähler), ein Insasse einer Jugendstrafanstalt, wird gezwungen, einen Aufsatz mit dem Titel "Die Freude an der Pflicht" zu schreiben. Darin schildert Siggi seine Jugend im nationalsozialistischen Deutschland, wo sein Vater, der "nördlichste Polizist Deutschlands", seine Pflicht tut, auch als er seinem alten Jugendfreund, dem expressionistischen Maler Max Nansen, Berufsverbot erteilen muss, weil die Nazis den Expressionismus als "entartete Kunst" verboten haben.

Als er seinen zu dieser Zeit zehnjährigen Sohn Siggi dazu anstiften will, den Maler zu bespitzeln, bringt er ihn damit in einen Gewissenskonflikt, denn Nansens Atelier ist für Siggi wie ein zweites Zuhause. Er beschließt, seinem Vater nicht zu gehorchen, und hilft stattdessen Nansen beim Verstecken von Bildern.

Siggi ist fasziniert von Nansens Bildern, "den grünen Gesichtern, den mongolischen Augen, diesen deformierten Körpern ... ".

Siggis Vater ist von fanatischer Pflichterfüllung angetrieben, weniger von der nationalsozialistischen Ideologie, im Unterschied zu seiner Frau, die, wie gelegentlich zum Ausdruck kommt, vollkommen vom Nationalsozialismus überzeugt ist. Als Siggis Bruder Klaas sich selbst verstümmelt, um nicht weiter Kriegsdienst leisten zu müssen, wird er von seinen Eltern verstoßen – nur mit Glück und Nansens Hilfe kann er den Krieg überleben.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Jepsen senior für kurze Zeit interniert und später als Polizist im ländlichen Schleswig-Holstein wieder eingesetzt. Als er dann zwanghaft weiter seine früheren Aufträge ausführt, bringt Siggi Nansen-Gemälde, die er in Gefahr wähnt, in Sicherheit. Sein Vater kommt ihm auf die Schliche und zeigt ihn pflichtbewusst wegen Kunstdiebstahls an.

Als er während seiner Haftzeit in der Jugendstrafanstalt bei Hamburg den Aufsatz über "Die Freude an der Pflicht" schreiben muss, kommen die Erinnerungen an seine Kindheit an die Oberfläche, und er geht weit über die "Pflicht", seinen Aufsatz zu schreiben, hinaus, indem er mehrere Notizbücher mit bitteren Erinnerungen an Vergangenheit füllt.

Analyse

Der Ich-Erzähler Siggi Jepsen ist selbst Teil der dargestellten Welt und versucht, sie zu beurteilen, indem er vergangene Situationen kommentiert. Der Leser sieht also die Ereignisse der Handlung durch seine Augen. Es ist eine subjektive Perspektive, die durch Ironie und kindliche Übertreibung noch verstärkt wird.

Der zugewiesene Aufsatz hilft dem Erzähler, sich mit seiner Vergangenheit und den Problemen des deutschen Staates im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Lenz kritisiert die Idee des absoluten Gehorsams und der unkritischen Ausführung von Befehlen. Dabei deckt er die Mechanismen des totalitären Staates auf und konfrontiert sie mit den Handlungen eines bestimmten Individuums, das sich ihnen stellen muss. Der Konflikt zwischen dem Maler und dem Wachtmeister erstreckt sich über die beiden Zeitebenen des Romans. Sie hat ihren Ursprung in der Vergangenheit, endet aber nicht in der Gegenwart. Der fanatische Gehorsam des Vaters ist u. a. durch den Besitz einer Uniform bedingt, die ihm das Gefühl gibt, in die offiziellen und staatlichen Strukturen integriert zu sein. Da die Figur des Nansen dem Maler Emil Nolde nachempfunden wurde, erhält der fiktive Handlungsstrang des Werks eine gewisse Authentizität.

Siggies Eltern erwarten von ihm, dass er ihnen bedingungslos gehorcht. Er weigert sich jedoch, sich zu fügen und fühlt sich eher mit dem Maler Max Ludwig Nansen verbunden. Nur im Atelier des Künstlers hat er das Gefühl von Sicherheit und Liebe. Nach dem Krieg entwickelt er einen nervösen Reflex, der laut den Psychologen in dem Buch eine halluzinatorische Abwehrreaktion ist und mit einer Besessenheit aus der Vergangenheit zusammenhängt. Außerdem wird der Junge von seinem Vater in Panik versetzt und findet, da er von ihm verschmäht wird, nur bei dem Maler und seiner älteren Schwester Hilke eine helfende Hand.

Adaptionen

Die Literaturverfilmung "Deutschstunde" (1971) ist ein zweiteiliger deutscher Fernsehfilm von Regisseur Peter Beauvais. Im Jahr 2019 erschien ein Remake als Kinofilm unter der Regie von Christian Schwochow.

Die erste autorisierte Bühnenfassung wurde im November 2014 von Stefan Zimmermann in Lahr durch das a.gon Theater München uraufgeführt.

Literatur