Das (Zürcher) Textanalyse-Raster (TAR) ist eine Methode zur Analyse eines Textes. Sie zielt darauf ab, die in einem Text verwendeten sprachlichen Elemente "möglichst umfassend und systematisch, explizit und reflektiert" (Sieber (Hg.) 1994, S. 149) zu erfassen und dient als eine Art "Schablone für die Textwahrnehmung" (ebd.).
Das Zürcher Textanalyseraster (ZTAR) wurde von 1988 bis 1992 im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Universität Zürich entwickelt (Cornelia Hanser / Markus Nussbaumer / Peter Sieber). Es ist ein umfassender, systematisch gruppierter Fragenkatalog.
Statt einer Wertung bzw. eines Urteils wie richtig oder falsch soll eine offene und fragende Perspektive bei der Analyse eingenommen werden &msash; eine Art "Check-Liste zur Überprüfung des Textes" (Sieber (Hg.) 1994, S. 142).
Inhalt
0 - Bezugsgrößen / Korrelate
- 0.1 Textlänge. token-Zahlen
- 0.1.1 Buchstaben
- 0.1.2 Wortformen
- 0.1.3 Teilsätze
- 0.1.4 Ganzsätze
- 0.2 types-Zahlen
- 0.2.1 Lexeme
- 0.2.2 grammatische Kategorien
- 0.2.3 Teilsätze (Satzbaupläne
- 0.2.4 Ganzsätze
A - Sprachsystematische und orthographische Richtigkeit
ars recte dicendi
- O Orthographie
- I Interpunktion
- M Morphologie
- SY Syntax
- T Textbau/Satzverknüpfung
- SA Semantik von Inhaltswörtern/Autosemantika
- SS Semantik von Funktionswörtern/Synsemantika
- SK Semantik komplexer Ausdrücke (komplexe Wörter, Wortgruppen, Sätze)
B - Angemessenheit
ars bene dicendi
B.1 Funktionale Angemessenheit: Verständlichkeit/Kohärenz
B.1.1 Gesamtidee, Thema, Absicht des Textes
- 1.1.1 In welchem Masse lässt sich im Text eine Gesamtidee erkennen, die den einzelnen Textteilen ihren Ort zuweist?
- 1.1.2 Welches ist diese Gesamtidee?
- 1.1.3 Entspricht die Gesamtidee der Aufgabenstellung (wie sie z.B. durch den Titel markiert sein kann?
B.1.2 Aufbau, Gliederung (Textmakrostruktur)
Hat der Text eine der Gesamtidee entsprechende Gliederung? Welches sind die einzelnen Glieder?
- 1.2.1 Innere Gliederung
- 1.2.2 Äussere Gliederung (graphisch mittels Absatz, Spiegelstrich u. ä.)
B.1.3 Thematische Entfaltung
- 1.3.1 Lässt sich in der thematischen Entfaltung eine Logik hinter dem Text rekonstruieren? (Texthintergrundslogik THL)
- 1.3.2 Zeigt sich in der thematischen Entfaltung eine Logik im Text selbst? (Textvordergrundslogik TVL)
B.1.4 Grad an Implizitheit/Explizitheit
- 1.4.1 Ist der Text so implizit wie möglich?
- 1.4.2 Ist der Text so explizit wie nötig?
B.1.5 Ausdrücke der Rezipientenführung
- 1.5.1 Metakommunikative Elemente
- 1.5.2 Kohäsionsmittel (Verweis-, Verknüpfungsmittel: Pronomen, Konjunktionen, Konjunktionaladverbien u. a.; textstrukturierende Mittel, Wortstellung)
- 1.5.3 Graphische Mittel (Unterstreichung, Schriftauszeichnung u. ä.)
- 1.5.4 Explizite Nennung von Produzent und Rezipient; Markierung des Standpunktes des Produzenten
B.1.6 Angemessenheit der Sprachmittel (Sachadäquatheit, Funktionsadäquatheit, Ususadäquatheit)
- 1.6.1 Interpunktion
- 1.6.2 Wortformen-, Phrasen- und Satzbau
- 1.6.3 Textbau
- 1.6.4 Wahl von Inhaltswörtern/Autosemantika
- 1.6.5 Wahl von Funktionswörtern/Synsemantika
- 1.6.6 Semantik komplexer Ausdrücke
- 1.6.7 Registerwahl
B.1.7 Erfüllung von Textmusternormen
B.2 Ästhetische Angemessenheit: Besondere formale Qualitäten
B.2.1 Sprachlich-formales Wagnis
B.2.2 Qualität der Sprachmittel (Attraktivität/Repulsivität)
- 2.2.1 Wortwahl
- 2.2.2 Satz- und Textbau
- 2.2.3 Rhythmus
- 2.2.4 Registerwahl, Tonlage
B.3 Inhaltliche Relevanz: Besondere inhaltliche Qualitäten
B.3.1 Inhaltliches Wagnis
B.3.2 Inhaltliche Wegqualität (Attraktivität/Repulsivität)
Quelle der obigen Systematik: Markus Nussbaumer, Lernerorientierte Textanalyse - Eine Hilfe zum Textverfassen? In: Feilke, Helmuth / Portmann, Paul R. (Hrsg.): Schreiben im Umbruch. Stuttgart: Klett 1996, S.108-109
Anwendung
Obwohl das Zürcher Textanalyse-Raster i für die angemessene Untersuchung eines grossen Korpus von Schüler- und Studienanfänger-Texten entwickelt worden ist und keineswegs – weil dies viel zu aufwändig wäre – tale quale für die Kommentierung von Schüler-Texten im Schulalltag verwendet werden kann, stellt es doch, wie wir meinen ii, sowohl den SchülerInnen als auch den LehrerInnen handliche und brauchbare Beschreibungskategorien und Beurteilungskriterien zur Verfügung. Ich nenne aus Platzgründen nur einige von denen, die ich in den Kommentaren selbst verwende – und selbstverständlich vorgängig und immer wieder mit den SchülerInnen aufgrund ihrer eigenen Texte bespreche.
An vielen Schülertexten, dem werden die meisten KollegInnen zustimmen, fällt auf,
- dass in ihnen oft – was mit der zumindest partiell vernachlässigten Differenz zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation zusammenhängt iv– die Grundregel "So implizit wie möglich, so explizit wie nötig" v missachtet wird (d.h. die Texte sind häufig entweder redundant oder aber zu implizit formuliert),
- dass Satzbau, Satz- und Abschnittsverknüpfung durch Kohäsionsmittel wie Rekurrenz , Vor- und Rückverweise und geeignete Konnektoren öfter missglücken und
- dass eine zweckmässige Rezipientenführung, etwa durch metakommunikative Kommentare und entsprechende Grossgliederung, fehlt.
Darauf – und in diskursiven Texten zusätzlich auf die Argumentationsstruktur – beziehen sich denn auch die meisten Kommentare. Und selbstverständlich auf die Lexik (Register, Semantik von Inhalts und Funktionswörtern) und auf grammmatikalische Kategorien wie Valenz und Verbkongruenz, Stellung des Verbs im Satz, Interpunktion und Schreibungen.
Quelle: Lektorieren statt korrigieren – das Zürcher Textanalyseraster und seine Folgen; 2004; Dr. Guy André Mayor, Luzern
Literatur
- Nussbaumer, Markus 1994: Ein Blick und eine Sprache für die Sprache. Von der Rolle des Textwissens im Schreibunterricht. In: Der Deutschunterricht. 5. 48-69
- Nussbaumer, Markus & Sieber, Peter (1994) Texte analysieren mit dem Zürcher Textanalyseraster. In: Sieber, P. (Hg.) Sprachfähigkeiten - Besser als ihr Ruf und nötiger denn je! Aarau u.a., 141-186
- Nussbaumer, Markus & Peter Sieber 1995: Über Textqualitäten reden lernen - z.B. anhand des `Zürcher Textanalyserasters.` In: Diskussion Deutsch 1995. 15-24
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