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Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) ist eine Abhandlung von Friedrich Schiller die aus 27 Briefen besteht, und sich mit der Ästhetik von Immanuel Kant sowie dem Verlauf der Französischen Revolution auseinandersetzt.

Inhalt

Thesen

Die Grundthese des Werkes ist die Veredelung des menschlichen Charakters, die im Mittelpunkt einer ästhetischen Erziehung des Menschen und der Menschheit für einen wahrhaft rationalen Staat oder eine wahrhaft rationale Gesellschaft steht. Dieser von der Vernunft idealisierte Zustand kann nur vom sittlichen Menschen verwirklicht werden: demjenigen, dessen Vernunft- und Empfindungsvermögen nicht im Widerspruch zueinander stehen. Damit schlägt Schiller eine Kritik der aufklärerischen Vernunft (deren größter Begründer Kant war) vor, denn sie hat das Ideal eines wahrhaft rationalen Staates noch nicht erreicht, da diese Vernunft in der Praxis, nicht aber in der Theorie versagt hat. Es ist anzumerken, dass Schiller von kantischen Prinzipien ausgeht, um sie zu übertreffen. Seine Idee der Synthese, der Schönheit, basiert auf dem Spiel, dem vereinigenden Moment, in dem der Mensch frei ist.

Wie bereits angedeutet, ist das Mittel zur Durchführung dieses Veredelungsprozesses die Schönheit, weil die Schönheit als Prinzip der Freiheit oder Autonomie in der sinnlichen Erscheinung eng mit dem moralischen Wesen des Menschen verbunden ist, das eben das Sein für die Freiheit ist. Daher muss die Erziehung des Menschen mit dem Ziel, das politische Problem einer vollständig rationalen und freien Gesellschaft zu lösen, "ästhetisch" sein. Dies ist der Ausgangspunkt der Kunst, die für Schiller wichtig ist.

Auch die Polemik der Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen darf nicht vergessen werden, denn sie wurde sowohl von den Anhängern der Aufklärung als auch von seinen bereits romantischen Zeitgenossen abgelehnt. Sie wurde jedoch von seinem Freund Friedrich Hölderlin begrüßt. Die marxistische Tradition des 20. Jahrhunderts sah in diesem Schillerschen Werk eine perverse Verwirklichung des idealistischen Denkens, vielleicht weil es die schärfste bekannte Kritik an den blutigen Ausschweifungen der Französischen Revolution enthielt und implizit die noch schwerwiegendere Kritik enthielt, die die Sowjetrevolution und die Ära des Stalinismus liefern würden.

Wenn neben den ästhetischen Schriften, die dem Erhabenen und dem Pathetischen gewidmet sind, der Aufsatz Über naive Poesie und sentimentale Poesie als seine gesamte Poetik gelten kann, so ist Friedrich Schillers Ästhetik im eigentlichen und allgemeinen Sinne die Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Dieses Werk führt, wie alle Werke des Autors, zu einer Theorie der Freiheit.

Aufbau

1-5: Schiller stellt die Diskrepanz zwischen Natur und Vernunft dar. Auf der einen Seite gibt es die Natur der meisten Menschen mit einem Bedürfnis nach der Befriedigung ihrer Instinkte, auf der anderen Seite die Errungenschaft der Kultur als Vernunft. Natur und Vernunft bilden jeweils einen Ausnahmezustand, wenn sie nicht aufeinander bezogen sind.

6-10: Schiller setzt sich mit den sozialen und kulturellen Gegebenheiten seiner Zeit auseinander und begibt sich auf die Suche nach einem objektiven Schönheitsbegriff, um zu klären, wie Schönheit eine notwendige Bedingung für Freiheit sein kann.

11-16: Schiller entwickelt hier das Ideal der Schönheit als humanitäres Ideal. Beide Grundeinheiten, der affektive Wert und die Rationalität, müssen als wesentlich für den Menschen akzeptiert werden. Was wir brauchen, ist eine lebendige Form. Seine Form ist Leben, und sein Leben ist Form". Das ästhetische Spiel macht den Menschen menschlich, zu einer Person. Die "lebendige Form" ist "ideale Schönheit", Schönheit im weiten Sinne, nicht auf Erfahrung beruhend, und unterscheidet greifbare Schönheit in "schmelzende Schönheit", Schönheit im engeren Sinne, und "energetische Schönheit" als "sinnlicher Impuls".

17-23: Schiller entwickelt hier seine Theorie des ästhetischen Zustands. Aber der Mensch jeder Epoche erreicht sie nie vollständig, weil es ihm an "Harmonie" oder "Energie" fehlt. Der ästhetische Zustand liegt genau in der Mitte und dort, wo "Leiden" und "Aktivität", "Fühlen" und "Denken" ineinander übergehen. Die Erziehung der Menschen kann durch die Ästhetik erreicht werden, bevor der Mensch seine Handlungen von der Vernunft leiten lässt.

24-27: Die Perspektive der Entwicklung des ästhetischen Staates ist die Aufhebung der inneren Kraft der menschlichen Natur und die Schaffung von praktischen Lebensbedingungen für die Anwendung moralischer Prinzipien durch sie.

Literatur

Der Text aller 27 Briefe kann unter https://www.projekt-gutenberg.org/schiller/aesterz/aesterz.html nachgelesen werden.